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Wer kennt sie nicht, die imposanten Videos von Bahnstrecken aus Sicht des Lokführers? Deshalb nutzen viele Modelleisenbahner auf Flachwagen montierte Minikameras, um mit spannenden Aufnahmen ihre Modellbahnanlagen zu präsentieren.

Beim Modelleisenbahn-Club Flawil erhält man einen speziellen Blick aus dem Original-Führerstand, wenn die Kameralok über die Gleise unserer Clubanlage gesteuert wird. Das Bild wird dabei live auf die Leinwand vor dem Führerstand übertragen. Bewegt man den Kopf, so ergeben sich automatisch Bilder aus einem anderen Blickwinkel Führerstand (mecf.ch). Für Dokumentationsvideos verwenden wir aber eine Minikamera mit Speicherung der Aufnahmen auf einer SD-Karte, um so qualitativ höherwertige Aufnahmen aus dem fahrenden Zug zu erhalten. Leider gibt es dabei nur die sture Sicht nach vorne. Warum nicht mal den Blick hinüber zum erspähten Sonderzug werfen oder eine Zugfahrt aus dem Fenster eines Personenwagens geniessen?

Zwar gibt es heute Action-Kameras mit schwenkbarem Kopf, doch wollten wir die vorhandene Würfel-Kamera Hero4 Session von GoPro weiter verwenden. Da kam die Idee auf, einen niedrigen Flachwagen mit einem Drehtisch auszustatten, auf dem die Kamera montiert ist. 

Idee und Konstruktionskonzept

Die maximale Bauhöhe von 55 mm erfordert einen Flachwagen, dessen Ladefläche nur etwa 10 mm über der Schienenoberkante liegen darf, damit für den Drehtisch noch genügend Bauraum zur Verfügung steht. Die Wahl fiel auf den alten LKW-Transportwagen der rollenden Landstrasse von Liliput. Der Drehtisch soll ungefähr über dem Drehpunkt des vorderen Drehgestells liegen und für die Aufnahme der Kamera eine Schale erhalten. Für ein ruckfreies, feines Drehen und Fahren auf eine definierte Winkelstellung soll ein Schrittmotor zum Einsatz kommen. Bedient werden soll der Drehtisch über die Zusatzfunktionen der schiebenden Lokomotive des vorhandenen ZIMO-Digitalsystems.

Mechanik

Die gesamte Einheit ist auf einer Grundplatte aufgebaut. Die ruckfreie Kraftübertragung vom Getriebe-Schrittmotor zum Drehtisch erfolgt über einen Zahnriemen. Die Schale zur Aufnahme der Kamera ist direkt auf dem grossen Zahnriemenrad befestigt, welches auf der stehenden und mit Kugellager geführten Welle montiert ist. Im hinteren Teil des Wagens befindet sich die gesamte Steuerung.

Kamerawagen, Drehtisch, Minikamera,, MECF, Modelleisenbahn Club Flawil

Aufbau des Kamerawagens (links: Drehtisch; mitte: Schrittmotor; rechts: Steuerung)

Kamerawagen, Drehtisch, Minikamera,, MECF, Modelleisenbahn Club Flawil

Einzelteile (oben: Grundplatte; unten: Drehachse)

Steuerung

Das Schienensignal wird von der schiebenden Lokomotive abgegriffen und speist die Stromversorgung und den Digital-Decoder. Die Stromversorgung erzeugt eine mit Kondensatoren gepufferte Spannung von 6 V DC, welche einerseits die Mikroprozessor-Platine Arduino Nano und andererseits den Schrittmotor-Treiber TMC 2209 speist. Die am Digital-Decoder abgegriffenen Signale der fünf Zusatzfunktionen dienen als Eingangssignale am Mikroprozessor, welcher dann über den Schrittmotor-Treiber den Motor ansteuert. Zur Einstellung der Drehwinkel-Begrenzung dient ein von oben zugängliches Potentiometer. Am vorderen Wagenende sind  zwei weisse, über die Licht-Funktion angesteuerte LEDs angebracht, welche die Umgebung bei Nachtfahrten oder in den mit Gewölben ausgestatteten Tunnels schwach beleuchten.

Die Komponenten der Steuerung sind über Stecker und Kabel miteinander verbunden. Der Antrieb besitzt keine absolute Positionserkennung, weshalb beim Start, beziehungsweise bei einer Nachjustierung, die Null-Stellung bei Sicht nach vorne initialisiert wird. Die aktuelle Winkelstellung wird im Betrieb über die Anzahl der gefahrenen Schritte ermittelt.

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Elektroschema - oben von links: Schrittmotor mit Treiber-Modul, Mikroprozessor, Digital-Decoder; unten: Speisung

Bedienung

Da der Digital-Decoder des Kamerawagens die gleiche Adresse wie die schiebende Lokomotive besitzt, werden für die Bedienung des Drehtisches deren Zusatzfunktionen verwendet. Die Ansteuerung des Drehtisches geschieht wie folgt:

  • Taste Z1 (Impuls): Drehen nach links im Drehbereich, so lange Taste gedrückt wird
  • Taste Z2 (Impuls): Rücklauf auf Null-Stellung (Blick gerade aus), bis diese erreicht ist
  • Taste Z3 (Impuls): Drehen nach rechts im Drehbereich, so lange Taste gedrückt wird
  • Taste Z (Dauer): Drehgeschwindigkeit (Funktion EIN: schnell; Funktion AUS: langsam)

Zur Kalibrierung der Null-Stellung ist die Taste Z innerhalb von weniger als 1 Sekunde zweimal kurz zu drücken.

Die folgenden Bilder zeigen den Kamerawagen und die „Sicht“ der GoPro.

Kamerawagen, Drehtisch, Minikamera,, MECF, Modelleisenbahn Club Flawil

Ansicht des Kamerawagens von vorne links...

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...und hinten rechts

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Der Kamerawagen mit Übergangswagen und Schiebelokomotive bei der Einfahrt Wassen …

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… und der Ausblick aus Sicht der Kamera

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Die abgedrehte Kamera mit Blick Richtung Amor-Express im Güterbahnhof Burgfelden …

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… und so sieht es der Lokführer.